Herausforderungen der Landwirtschaft und Lebensmittelhandwerke
1. Oberfränkischer Lebensmittelgipfel schafft umfassende Bestandsaufnahme und wichtige Wegweiser für die Zukunft
Kulmbach. Umfragen zeigen bei Verbrauchern ein deutlich gestiegenes Bewusstsein für regionale Wirtschaftskreisläufe und regional produzierte, hochwertige Lebensmittel. Doch beim Einkauf entscheiden sich viele – anders. Zugleich sinkt die Zahl derjenigen, die Lebensmittel vor Ort herstellen: Landwirte legen ihre Betriebe still, weil sie zunehmend Schwierigkeiten haben, von ihren Erträgen zu leben, Bäcker und Metzger ringen um Nachwuchs, die Brauereien kämpfen mit den Absatzverlusten, die ihnen die Pandemie beschert hat. Doch es gibt auch Lichtblicke – das ist ein Ergebnis des 1. Oberfränkischen Lebensmittelgipfels, den die Handwerkskammer (HWK) für Oberfranken im Beruflichen Schulzentrum Kulmbach organisiert hat.
„Die Menschen haben ein veraltetes Bild von der Landwirtschaft“
Das erste Gipfeltreffen dieser Art, das alle an der Herstellung von Lebensmittel Beteiligten zusammengebracht hat, schaffte eine umfassende Bestandsaufnahme: Im Faktencheck stellten Christian Herpich (Metzgermeister und Vizepräsident der HWK), Rainer Prischenk (Leitender Landwirtschaftsdirektor an der Regierung von Oberfranken) und Norbert Heimbeck (Geschäftsführer der Genussregion Oberfranken) den knapp 70 Gästen in Präsenz vor (der Gipfel wurde auch live im Internet übertragen), wie es um die Situation im Lebensmittelhandwerk, die Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft und um die Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten bei umwelt- und gesundheitsbewussten Verbrauchern bestellt ist. Die großen Herausforderungen seien zum einen der anhaltende Drang zur Akademisierung der Bildungslandschaft, der die berufliche Bildung stark belaste und auch Ungleichheiten produziere. „Das zeigt sich zum Beispiel in der deutlich schlechteren Förderkulisse für Berufsschulen, aber auch für die Berufsbildungs- und Technologiezentren der Handwerkskammer, im Vergleich zu Universitäten und Hochschulen“, monierte der Schulleiter des Beruflichen Schulzentrums Kulmbach, Oberstudiendirektor Alexander Battistella. Zum anderen kranken die Landwirtschaft und die Lebensmittelhandwerke an der öffentlichen Wahrnehmung der Branchen und Berufe. „Die Menschen haben ein veraltetes Bild von der Landwirtschaft und auch vom Handwerk“, sagte etwa die Kreisbäuerin des Landkreises Hof, Karin Wolfrum. „Sie haben nicht wahrgenommen, wie wir uns in den letzten Jahren modernisiert und entwickelt haben, auch in Bezug auf Tierwohl oder Umwelt- und Klimaschutz.“
„Die neuen Rockstars der Ernährungsbranche“
Doch bei einer reinen Bestandausnahme blieb es bei dem oberfränkischen Lebensmittelgipfel nicht. Fünf junge Unternehmerinnen und Unternehmer aus der oberfränkischen Landwirtschaft und dem oberfränkischen Lebensmittelhandwerk zeigten ihre neuen und individuellen Wege auf, wie sie die Herausforderungen angehen und weshalb sie optimistisch in die Zukunft schauen. Maximilian Rädlein von der Metzgerei Max (Hof) nannte die Metzger gar „die neuen Rockstars der Ernährungsbranche“ – und lobte eigens die von der Handwerkskammer für Oberfranken konzipierte Nachwuchskampagne, die junge Nachwuchshandwerkerinnen und -handwerker aus der Region zu Wort kommen lässt und stolz und selbstbewusst präsentiert. Positive Nachrichten gab es zudem aus der Berufsschule Kulmbach: Während die Zahl der Auszubildenden im Lebensmittelhandwerk von 2019 auf 2020 um insgesamt zehn Prozent zurückging, verzeichnet die Berufsschule in Kulmbach bei den Brauer-Auszubildenden seit einigen Jahren einen Zuwachs.
Staatsminister Glauber: Oberfrankens Kulinarik „ein Stück Kulturheimat“
Auch die den Lebensmittelgipfel abschließenden Podiumsdiskussion zeigte deutlich: Eine Lösung der Probleme kann es nur gemeinsam geben. So formulierte HWK-Vizepräsident Christian Herpich auch seinen Appell an seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter und auch an die Politik, die der Einladung zahlreich gefolgt war. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hob in seiner Videobotschaft die Bedeutung regional erzeugter Lebensmittel als „entscheidend“ hervor und schlug vor, die Mehrwertsteuer für solche Lebensmittel auf sieben Prozent zu senken. Der Verbraucherschutzminister im Freistaat, Thorsten Glauber, stellte dem enormen Preisdruck durch die Discounter den Mehrwert durch regionale Lebensmittel gegenüber. Die kulinarische Vielfalt Oberfrankens bezeichnete der Minister als „ein Stück Kulturheimat“. Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz, die auch Vorsitzende des Vereins Oberfranken Offensiv ist, bezeichnete die Genussregion Oberfranken als „Standortfaktor erster Güte“ und betonte die Bedeutung der Kulinarik für die fränkische Lebensqualität. Sie verwies auch auf die aktuelle Klimaschutzdiskussion und forderte: „Lassen Sie uns alles tun, damit Landwirte ihre Zukunft nicht nur als Energiewirte sehen.
Landrat Söllner: Aufbruchstimmung deutlich zu spüren
Landrat Klaus Peter Söllner zog ein durchweg positives Fazit aus dem Lebensmittelgipfel. „Bei allen Beteiligten war deutlich eine Aufbruchstimmung zu spüren: Handwerk und Landwirtschaft wollen und werden in Zukunft enger zusammenarbeiten und ihre Netzwerke weiter ausbauen.“ Dies sei auch nötig, um auf allen Ebenen, ob Politik oder Öffentlichkeit, mehr Wertschätzung zu erfahren und sich auch mehr Gehör zu verschaffen. Söllner: „Mit der Leidenschaft, die auf dem Lebensmittelgipfel bei allen Teilnehmenden zu spüren war, wird dies auch gelingen.“
Info: Eine Aufzeichnung des Lebensmittelgipfels kann unter dem Link www.hwk-oberfranken.de/lebensmittelgipfel aufgerufen werden