Kulturpaten und -gäste im Landkreis Kulmbach

Gemeinsam statt einsam: Mit dem Projekt „Kulturpaten und Kulturgäste – gemeinsam der Kultur auf der Spur“ bringt die Regionalinitiative Oberfranken Offensiv in Kooperation mit dem Koordinierungszentrum Bürgerschaftliches Engagement am Landratsamt Kulmbach ältere Menschen und ehrenamtlich engagierte Bürger zusammen. Die Idee: Ehrenamtliche Kulturpaten begleiten ältere Menschen zu Kulturveranstaltungen und profitieren durch gemeinsame Erlebnisse voneinander.

 

Kulmbacher Kulturpaten
Bezirkstagspräsident Henry Schramm, Heike Söllner (Ehrenamtsbeauftragte des Landkreises Kulmbach), Landrat Klaus Peter Söllner, Sandra Wolf (Demografiezentrum Oberfranken), Norbert Heimbeck (Genussregion Oberfranken), stellv. Landrätin Christina Flauder und Helga Metzel (Geschäftsführerin der Museen im Kulmbacher Mönchshof) bei der Präsentation der Kulturpaten-Broschüre.

 

Mittlerweile gibt es 17 geschulte Kulturpatinnen und Kulturpaten im Landkreis Kulmbach, die im Frühsommer 2022 mit ersten Kulturbegleitungen begonnen haben.

Während des Kennenlernens haben Kulturpaten und Kulturgäste gemeinsam nach kulinarischen Erinnerungen gesucht, die eine wichtige Rolle in deren Lebenslauf spielten. Daraus ist eine Broschüre entstanden, die in Gegenwart von Bezirkstagspräsident Henry Schramm, Landrat Klaus Peter Söllner und stellv. Landrätin Christina Flauder.im Kulmbacher Mönchshof der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Der Dank des Vorsitzenden von Oberfranken Offensiv Henry Schramm ging an alle beteiligten Kulturpatinnen und Kulturpaten sowie an die Kulturgäste, die ihre Erinnerung nun mit einer potenziell großen Leserschaft teilen. Die Geschichten in der Broschüre zeigen deutlich, wie tief Kulinarik und Genuss in unserer Region verwurzelt sind.

Die Broschüre steht hier zum Download bereit und kann im Landratsamt Kulmbach abgeholt werden. Auf Wunsch wird sie auch verschickt über das Demografie Kompetenzzentrum (DemKo) Oberfranken. Dazu senden Sie bitte eine kurze Mail an info@demografie-oberfranken.de.

Eine Auswahl der Texte können Sie hier lesen:

Kulmbacher Kulturpaten

Kulturpatin Hanne Lindner: 
Beim Brotbacken
Die Familie Pöhlmann bewohnt ein Altenreuth (Landkreis Kulmbach) einen traditionellen Vierseithof, in dessen Gewölbekeller die Jahreszahl 1690 entzifferbar ist. Zum Hof gehören ein großes Wohnhaus, Stallungen, Scheunen und Wirtschaftsgebäude und natürlich ein großer Backofen.
Brigitte Pöhlmann hat sich die Kunst des Brotbackens von ihrer Schwiegermutter abgeschaut. Weil es zweckmäßig ist, mindestens zu zweit zu arbeiten, unterstützt Brigittes Mann sie bei der Arbeit.
Da am Freitag gebacken werden soll, beginnen am Dienstag die Vorbereitungen. In der ortsansässigen Mühle werden 60 Kilogramm Roggenmehl besorgt. Im Unterschied zu früher ist ein Teil des Mehls ist grober gemahlen, damit mehr Ballaststoffe drin sind. Zunächst wird der vorhandene Sauerteig vorbereitet, bis nach und nach der sogenannte Vorteig entstanden ist. Dann kommt noch etwas Mehl dazu, der Teig wird gefüttert und bis zur Verwendung warm gestellt.
Am Mittwoch werden alle Gerätschaften vorbereitet. Die Backschanzen werden hervorgeholt, der Backtrog aufgestellt und alles gründlich gereinigt. Auch das Brennholz für den Ofen, bevorzugt sind Fichtenscheite, wird hergerichtet.
Am Donnerstagabend wird der Teig bereitet: Das Mehl kommt in den Backtrog, dann wird der Sauerteig dazu gegeben. Jetzt beginnt die erste Arbeit, der Vorteig muss nach und nach mit dem Mehl verknetet werden. Am besten ist es, wenn ein Helfer den klebrigen Teig knetet und der andere nach und nach einen Eimer Wasser zugibt. Am Schluss soll ein weicher Teig entstehen, der sich über Nacht in guter Wärme ausruhen darf.
Am Backtag ist frühes Aufstehen angesagt. Spätestens um 5 Uhr geht’s los. Jetzt kommen die Gewürze zum Einsatz: Salz , Anis, Kümmel, Fenchel. Die genaue Gewürzmischung bleibt das Geheimnis der Familie Pöhlmann. Portionsweise werden sämtliche Zutaten geknetet. Eine klebrige, kräftezehrende Aufgabe, bei der beide Bäcker voll gefordert sind. Danach haben sich die beiden ein Frühstück verdient. Denn der Teig muß mindestens zwei Stunden ruhen.
Die Backschanzen – insgesamt 40 Stück in verschiedenen Größen – werden mit Mehl bestäubt und auf Tischen und Bänken verteilt. Sorgfältig wird nun der Backofen vorbereitet. Das Holz wird ordentlich aufgeschichtet. Mindestens 28 Scheite sind erforderlich, damit die Hitze intensiv genug ist. Das Feuer brennt etwa zweieinhalb Stunden, dann wird die Glut im Ofen verteilt.
In der Zwischenzeit wird letzte Hand an den Teig gelegt. Für den nächsten Backtag wird eine Portion zur Seite gelegt. Der restliche Teig wird zu Teiglingen verarbeitet, die in die Backschanzen gelegt und mit Mehl bestäubt werden. Nach einer erneuten Ruhezeit von eineinhalb Stunden wird die Glut aus dem Ofen geräumt und der Backraum mit nassen Lappen an langem Stiel sauber ausgewaschen. Wenn die Steine weiß sind, dann haben sie die richtige Temperatur.
In der Zwischenzeit haben alle schon mitgeholfen, die Brotschanzen zum Backofen zu bringen. Die Brote werden auf den Schieber gestürzt, mit lauwarme Wasser abgebürstet und eingeschossen. Dabei ist Sorgfalt gefragt. Denn es sollen ja alle Laibe in den Ofen passen, die Großen und die Kleinen. Da muss gut sortiert werden.
Das Brot darf dann zwei Stunden backen. Nach dieser Zeit kontrolliert die Bäckerin das Ergebnis. Wenn sie damit zufrieden ist, werden die fertigen Laibe entnommen, einzeln mit Wasser abgebürstet, auf die Backschanzen gelegt und zurück ins Haus gebracht. Und jetzt erfüllt der Duft von frischgebackenem Brot das ganze Haus.

Kulmbacher Kulturpaten

Kulturpatin Karin Minet:
Unser tägliches Brot… von Klaus Köstner 

„Unser tägliches Brot gib uns heute“ lautet eine der sieben Bitten im „Vaterunser“. Sie hatte für uns Kinder in den ersten Nachkriegsjahren eine tiefe Bedeutung. Mit meinen beiden älteren Brüdern wuchs ich auf einem Weiler im Frankenwald auf. Zum Erwerb eines Laibes Brot brauchte man einen Abschnitt auf der Lebensmittelkarte und Geld. An beidem mangelte es uns oft.
Zum Frühstück gab es für uns Kinder meist kein Brot, sondern nur eine Tasse warme Ziegenmilch. Dann machten wir uns auf den Schulweg, der zwei Kilometer betrug. Im Winter stapften wir nicht selten durch hohen Schnee oder kämpften mit einem Schneesturm. In der Pause beneideten wir
Schulkameraden, die ein Pausenbrot dabei hatten, gelegentlich sogar mit Belag. Manchmal tauschten sie dieses gegen alte Briefmarken oder Zinnsoldaten. Doch über beides verfügten wir nicht.
Am Nachmittag bekamen wir eine Scheibe Brot zum Zichorien-Kaffee. Mehr war nicht verfügbar, und die Eltern und Großeltern verzichteten nicht selten darauf. Am Abend gab es oft ein Gericht aus übrig gebliebenen Klößen oder Pellkartoffeln mit Ziegenquark, weil das Brot zur Neige ging.
Ein Kind, das zum ersten Mal zu Besuch war, bekam – der Tradition gemäß – drei Geschenke: ein Geldstück, ein Ei und ein Stück Brot. Einer Frau mit einem Mädchen auf dem Arm gab unsere Großmutter das Ei und ein „Fünferla“. Wir Brüder waren entsetzt, dass uns ein Stück Brot verloren gehen sollte, das unersetzlich war. Doch das Kind verweigerte die Annahme mit dem Hinweis: „Es
ist ja nichts drauf“! Die Großmutter bedauerte, dass sie mit einem Aufstrich nicht dienen könne. Wir waren sehr erleichtert; denn das ging gerade noch einmal gut..

Bräuche rund um das Brot

In unserem Kulturkreis gilt Brot als Synonym für die menschliche Ernährung. In meiner Kindheit – kurz nach dem Zweiten Weltkrieg – wurde auf etlichen Bauernhöfen im Frankenwald noch selbst Brot gebacken, das weithin einen unvergleichlichen Duft verbreitete. Um das Brot rankten sich viele Bräuche, die gelegentlich an Aberglauben grenzten.

Vor dem Einschießen des Brotes in den heißen Backofen drückte die Bäuerin mit den Fingern die „fünf Wunden Christi“ in den Laib.
Sie achtete streng darauf, dass niemand über den Stiel der Backschaufel stieg, denn das konnte Unglück bedeuten.
Beim Anschneiden eines frischen Laibes ritzte die Großmutter mit dem Messer drei Kreuze in die Unterseite des Brotes.
Die Schnittfläche durfte nie gegen die Küchentür zeigen, da es sonst schnell zur Neige ging.
Wer etwa vom Nachbarn eine Schlachtschüssel erhielt, musste das Gefäß ungespült mit einem Stück ( „Ranft“) Brot zurück geben. Dies erhöhte die Chance, dass das nächste Ferkel gut gedieh.
Nach der Hochzeit bewahrte die junge Braut den getrockneten Anschnitt des ersten Brotes, das sogenannte „Köppla“ auf. Es galt als heilsam und wurde Schwerkranken gereicht, die sonst keine Nahrung mehr vertrugen.
Eine überraschende Antwort erhielt ein Lehrer auf die Frage: „Was geschieht, wenn bei euch daheim das Brot zur Neige geht?“ Ein Bub sagte: „Es gehen gute Zeiten an; denn dann backt die Mutter Hefeklöße.“

Tradition im Geiste der Altvorderen: Restaurant Hagleite, Kulmbach-Blaich, Familie Limmer

Das Restaurant Hagleite befindet sich in der Matthäus-Schneider-Straße unterhalb des Kulmbacher Klinikums. Der weit über Kulmbach hinaus bekannte Günter Limmer hatte die Gaststätte seiner Eltern übernommen und die Speisekarte unter dem Motto „Freude am Essen – gesellig feiern“ gereicht. Er veranstaltete Bierproben, verköstigte große Gesellschaften auf der Plassenburg und kochte bereits in den 70-er Jahren mit Fernsehkoch Max Inzinger. Hierbei wurden verschiedene Gerichte kreiert, so das Original Kulmbacher Bierfleisch aus der Rinderhüfte oder dem Schweinekamm, verfeinert mit Speckscheiben, Gewürzen, Gemüse und einem Drittelliter Eisbock, geschmort im Römertopf.
2014 wurde das Restaurant Hagleite im Wettbewerb „Ausgezeichnete Bayerische Küche“ für die Verwendung regionaler Produkte und die Pflege einer regionaltypischen Küchenkultur in Kombination mit einer hohen Servicequalität ausgezeichnet.
Die Führung des Restaurants liegt nach dem Tod Günter Limmers in Enkelin Jennys Händen, die unermüdliche Seniorchefin Hannelore steht noch immer in der Küche und führt das Erbe der Altvorderen weiter. Entsprechend gibt es fränkischen Sauerbraten „wie ihn meine Großmutter schon zubereitete“ und Stockfisch. Den gibt es traditionell in den Wochen vor Ostern, nach dem Rezept von Hannelore Limmers Schwiegermutter. Stockfisch kommt aus dem Norden Europas und wurde an Holzstöcken zur Haltbarmachung getrocknet. Vor der Verarbeitung musste er tagelang – meist unter Beigabe geheimer Zutaten – gewässert werden und machte sich im ganzen Haus durch seinen speziellen Duft bemerkbar. Heute wird bereits gewässerter und gehäuteter Stockfisch vertrieben.
In der Hagleite wird Kabeljau im fein abgeschmeckten Sud gar gezogen. Altbackenes Weißbrot wird in dünne Scheiben geschnitten und geröstet, Zwiebelringe werden erhitzt bis sie wenig Farbe annehmen. Danach werden der leicht zerzupfte Kabeljau, die Weißbrotscheiben und die Zwiebeln lagenweise in eine Auflaufform geschichtet und zum Vollenden in den Ofen geschoben. Traditionell wird grünes Erbsenpüree zum Stockfisch gereicht.
Küchla backen – eine alte ländliche Tradition

Kulturpatin Petra Wacker:
Vom Küchla backen mit Erika Pistor und Familie

Küchla spielen im fränkischen Brauchtum eine wichtige Rolle und gehören bei Kindstaufen, Konfirmation, Hochzeiten und runden Geburtstagen als Gegengabe für Geschenke unverzichtbar dazu. Im Dorfkulturverein „Hegnabrunner Moggerla“ hält die Ködnitzerin Erika Pistor zusammen mit ihrer Schwester Ilse die Tradition seit vielen Jahren lebendig. Erika ist 85 Jahre alt, Ilse 78.

Sie geben uns einen Einblick ins Küchlabacken:
An einem Tag konnten von 15 Pfund Mehl ca. 240 Küchla gebacken werden, das war für drei Personen gerade so zu schaffen! Schon zwei Tage vor dem eigentlichen Backtag wurde die (Wasch)-Küche gut eingeheizt und alle Zutaten kamen hier hinein, damit sie die gleiche Temperatur annehmen konnten. Einen Tag vorher wurde das Mehl in eine oder mehrere große Schüsseln gesiebt (1 Pfund Mehl für ca. 12 Küchla).
Die Zutaten: Butterschmalz, Eier (besonders große mit gelben Dottern kamen von gut gefütterten Hühnern aus Bauernhöfen in der Umgegend). Auch gute Butter wurde (oft noch von Bauern, die selbst butterten) besorgt.
Das Mehl holte der inzwischen verstorbene Schwager Toni (83) in der dorfeigenen Mühle in Ködnitz oder in Himmelkron, wo es ganz frisch gemahlen wurde.
Bei der Hefe wurde größter Wert darauf gelegt, dass sie „vom großen Stein“ vom „Sesselmannsbäck“ in Trebgast abgeteilt wurde. Die restlichen Zutaten wie Milch, Salz, Zucker und Arrak hatte man meist vorrätig, den guten „Stroh-Rum“ brachte immer irgendeiner aus der Familie von einem Österreich-Urlaub mit.
Am Backtag selbst wurde um 7 Uhr früh zuerst das „Dämpfla“ (Hefe, lauwarme Milch, Zucker) angesetzt, das dann zum Mehl kam.
Die Eier wurden aufgeschlagen und mit Zucker und Salz verquirlt. „Salz muss man im Küchla schmecken“ (O-ton Erika). Und ganz wichtig war: Zusätzlich noch 12 bis 15 „Rändlaseier“ zugeben, damit die Küchla schöne „Rändla“ bekommen.
Sämtliche Zutaten wurden zu einem Teig verknetet, der solange geschlagen wurde, bis er Blasen warf.
Mit Tüchern abgedeckt, durfte der Teig dann drei Stunden gehen. Mit einem Esslöffel wurden anschließend kleine Teigkugeln abgestochen und auf einem bemehlten Leinentuch rund gerollt.
Die Teiglinge wurden in große Kartons zwischengelagert und durften übereinander gestapelt nochmal etwa eine Stunde lang gehen. Falls in der Zeit jemand den Raum betreten wollte und Zugluft verursachte, bekam derjenige von Ilse und Erika einen Rüffel!
Inzwischen bereitete Toni die Fettpfanne auf dem Gasofen vor und gab das Butterschmalz hinein. Mit dem Holzlöffel wurde die Temperatur geprüft: Wenn das Fett Bläschen warf, war´s heiß genug (ca. 170 – 180°C).
Die spezielle Technik des „Ausziehens“ und „Neimachens“ der gegangenen Kugeln – mit den Fingern vom Rand her drehen und ausziehen, dass in der Mitte eine dünne Stelle/Blase entsteht – und das „Reingleitenlassen“ ins heiße Fett beherrschen Erika und Ilse perfekt.
Es durfte kein Loch in der Blase sein, die beim Backen entsteht – und um die Mitte herum musste nach nach dem Umdrehen des Gebäcks ein schöner weißer Rand zu sehen sein. In die Fettpfanne passten 10 bis 12 Küchla.
Wenn die Küchla goldbraun gebacken waren, kamen sie zum Abtropfen auf ein Gitter.
Toni war dann dafür zuständig, die Küchla vorsichtig weg zu tragen und auf ausgelegten Papierbahnen (die Rolle kam aus der Druckerei der örtlichen Tageszeitung) im Nebenraum zum Abkühlen aufzureihen.
Natürlich wurde dann zwischendurch auch schon mal ein Küchla probiert – selbstverständlich vorher gut mit Puderzucker bestreut – und entschieden, ob sie gelungen waren, oder nicht.
Erika, Ilse und Toni waren nach so einen Backtag erstmal geschafft, aber es kam auch vor, dass für eine Hochzeit oder für Konfirmationen am nächsten oder übernächsten Tag nochmal gebacken wurde, wenn die Bestellung dementsprechend groß war. Die benutzten Leinen- und Geschirrtücher mussten danach auch wieder gewaschen und fein säuberlich fürs nächste Backen aufgehoben werden.

(Dieser Text wurde eingereicht von Thomas Seubold aus Marktgraitz, die beiden Erzählerinnen sind seine Cousinen)

 

Sieglinde Bauer, Jahrgang 1941
Gerda Gesslein, Jahrgang 1940

Der Semmelkloß zu Hesselbach
(oder ein so richtig hungriger Gast)

Unser Onkel Hans, geboren 1918 in Marktgraitz, Landkreis Lichtenfels, hatte in Hesselbach, Landkreis Kronach, in jungen Jahren eine Freundin. Eine Tages, es muss kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gewesen sein, besuchte er sie mit dem Fahrrad. Als er nach ungefähr 30 Kilometern außer Atem und mächtig hungrig am Ziel ankam, wurde ihm sogleich etwas zu essen angeboten. Seine Freundin Babett und ihre Eltern mussten aber nochmal in den Stall, um die Kühe zu versorgen. Babetts Mutter stellte Hans daher einen Semmelkloß auf den Tisch und sagte: „Fang schon ruhig mal an zu essen!“. Hans befand den Kloß für besonders köstlich und futterte drauf los. Als Babetts Mutter von der Stallarbeit zurückkam, fragte sie: „Hans, wo ist denn der Semmelkloß?“. „Ach, den hab ich gegessen, ich dachte, davon bekommt jeder einen ab!“. Kurz danach wurde Babett Hans‘ Frau.

Christiane Loetzsch, Kulmbach

Wegen der „gesunden Luft“ fuhren wir einmal an die Nordsee – allerdings ging dort gerade die Grippe um und kurz darauf lag die ganze Familie flach. Das allgemeine Husten in der Nacht ließ mich nicht schlafen und tagsüber war ich völlig erschöpft. Als es uns etwas besser ging, machten wir einen Ausflug in die Dünen und legten uns in eine windstille Mulde. Die Maisonne schien angenehm warm, mein Sohn und meine Tochter spielten leise im Sand und mein Mann schlief. Ich döste so vor mich hin und war kurz vor dem Einschlafen, als mir mein Lieblingsessen meiner Oma in Brandenburg einfiel (dort hatte jeder Hühner und natürlich entsprechend viele Eier). Speckeierkuchen mit pikanter Soße nannte Oma diese Speise.
Je länger ich darüber nachdachte, um so mehr erinnerte ich mich an den Geschmack und die Zutaten. Schließlich sagte ich zu meinem Mann: „Ich gehe einkaufen und koche dann“. Das Kochen ging wie von selbst und es schmeckte genau wie bei meiner Oma. Seitdem fragt meine Familie mich oft:“Wann gibt es mal wieder Speckeierkuchen?“

Festtagsnachtisch „Rheinischer Bund“

An hohen Festtagen wie Weihnachten, Ostern, Hochzeit oder Kerwa gab es in unserer Familie einen ganz besonderen Nachtisch, den „Rheinischen Bund“. Woher er seinen Namen hatte, wusste keiner, aber alle wussten genau, wie er schmeckt und aussieht – und in welcher Schüssel er serviert werden musste: Der viereckigen mit dem Goldrand!
Die Kokosmakronen, die dazu benötigt wurden, gab es auf der Thurnauer Kerwa, die Weincreme wurde damals wie heute mit gutem Frankenwein selbst zubereitet. Wichtig waren auch frische Bauerneier, die einen schönen gelben Dotter hatten … ein Genuss – auch heute noch!

Rezept: 

5 Eigelb werden mit 1 Esslöffel Speisestärke verrührt, dazu 115 g Zucker, Schale und Saft einer Zitrone, sowie einen Schoppen Weißwein.
Alles zusammen wird auf dem Herd gerührt, bis es creme-artig eingedickt ist.
Der Boden einer Porzellanschüssel wird mit Makronen (alternativ Löffelbiskuits) ausgelegt und die Creme darüber gegossen. Kalt werden lassen.
Das Eiweiß mit 70 g Zucker zu Schnee schlagen, auf die Creme streichen, gehobelte Mandeln darüber streuen und in der Röhre kurz bräunen.

Gerda John mit Kulturpatin Edina Thern:
Erinnerungen

… da sah ich plötzlich meine Oma, – ich hatte sie beinahe nicht erkannt–, wie sie sich mit einer anderen Frau stritt und zwar um eine Muckefuck Tüte… die Frau wollte die Tüte – und Oma wollte die Tüte- und irgendwie hatte die Frau so die Wut gekriegt, dass sie die Tüte meiner Oma über den Kopf stülpte. Jetzt war Oma ganz braun von dem Muckefuck Kaffee, – aber sie mochte aussehen wie sie wollte – Hauptsache sie war wieder hier bei mir…

 

Kulmbacher Kulturpaten

Gerdi Hocke mit Patin Irmgard Geuder-Hanslik:
Lieblingsessen in der Nachkriegszeit

In der Nachkriegszeit war es gerade für Familien mit mehreren Kindern schwierig, alle hungrigen Münder satt zu bekommen. Die Frauen versuchten möglichst viel selber im Garten anzubauen und die Erträge bestmöglich in schmackhaftes Essen umzuwandeln. Phantasie und Kreativität waren gefragt – und Resteverwertung wurde groß geschrieben. Gerdi Hocke erinnert sich gerne an ihre Lieblingsessen aus dieser Zeit:
Gurkensauce:
Die „Gurkenbrüh“ von eingemachten Gurken wird angedickt, mit Sauerrahm verfeinert und die eingemachten Gurken kleingeschnitten beigefügt. Dazu gibt es Salzkartoffeln.
Wirsingpflanzerl:
Vom übriggebliebenen Wirsinggemüse vom Vortag wird die Flüssigkeit abgegossen und alles mit Semmelbröseln und Ei vermischt und eventuell nachgewürzt. Pflanzerl formen und in heißem Butterschmalz von beiden Seiten braten.

Kulmbacher Kulturpaten

Kulturpatin Karin Minet und Kulturgast Jürgen Kohlberger:
Nach dem Krieg 

… Was aßen wir damals? Der Essenstag begann logischerweise mit dem Frühstück. Stets mit einem Teller Mehlsuppe, auf die meine Mutter Zucker gestreut hatte. Obendrauf als Garnierung ein Stück Butter, sofern welche vorhanden war. Mittags aßen wir vielfach Kartoffelgerichte, aber auch Grießbrei und Nudeln in Milchbrühe. An letztere erinnere ich mich nur ungern; sie waren überhaupt nicht nach meinem Geschmack. An Waschtagen wurde stets Kartoffelsuppe aufgewärmt, die meine Mutter am Vortag gekocht hatte. Brot war zwar manchmal etwas knapp, aber abends wurden wir immer satt. Als Belag gab es selbstgemachten Sirup und ab Herbstbeginn viel Apfelmus, den meine Mutter ebenfalls selbst produzierte. Ich besorgte dazu das benötigte „Fallobst“. Natürlich gab es davon nicht ausreichend genug, aber viele Steine und klettern konnte ich auch…

… Ziemlich ungewöhnlich war, dass es mitten im Sommer Gänsebraten gab. Wie das? Trotz des damals schwachen Verkehrs hatte es  eine aus dem Bauernhof entwischte Gans „geschafft“,von einem LKW überfahren zu werden. Die Bäuerin, bei der meine Verwandten wohnten, schmiss sie einfach auf den Misthaufen. Von dort aus“ landete“ sie mit ausdrücklicher Billigung der Besitzerin bei meiner Tante in der Küche …

… Ich weiß nicht mehr, wann die Schulspeisung eingeführt wurde. Sie erfolgte im Parterre des damaligen Rathauses. Die Dauer der Verköstigung war fast minutiös festgelegt, so hatten die einzelnen Klassen nach einander zu erscheinen. Die meisten Schulkinder besaßen Kochgeschirre oder ähnliche mit Deckeln verschließbare Gefäße. Besonders freute es mich, wenn es eine kleine Tafel „Insel-Schokolade“ gab, die in einem Bayreuther Werk, das jetzt nicht mehr existiert, hergestellt wurde. Dazu erhielten wir Kakao und ein Brötchen. Was nicht an Ort und Stelle aufgegessen wurde, nahm man mit nach Hause.

Kulmbacher Kulturpaten

Manfred Ströhlein, Jahrgang 1940, Kulmbach:
„Essen und Trinken“ aus Zeiten vor 75 Jahren

Ich wurde 1940 geboren und erinnere mich noch gut an Ernährungsgewohnheiten in „grauer Vorzeit“ – also in den sogenannten „schlechten Jahren“ nach dem Krieg. Da ist zum Beispiel das „Greegroom“ (Kren ausgraben). Wir suchten meist an Gewässerrändern oder hinter Scheunen nach wildem Meerrettich. Es kam dann nach erfolgreichem Fund zu tränenreichem „Krenbudsn und -reibn“. Das war vielleicht ein scharfes Wildgemüse. Und auch beim Essen des sonntäglichen Krenfleisches (mit Klößen und meist „schwarzem Fleisch“) liefen oft unsere Tränen.
Sommer und Herbst hatten ihre besonderen Aufgaben: Pfiffer (Pilze) sammeln, Preiselbeeren und Schwarzbeeren suchen (dabei lernte ich eine besondere Farbenlehre kennen, „wenn die Schwarzbeeren noch rot sind, sagt man, die sind noch grün“). Meine Mutter (seit 1943 Kriegerwitwe) konnte hervorragend Marmelade kochen und wir waren mit solchen Köstlichkeiten allzeit gut versorgt. Fichtennadelsirup gab‘s auch. Außerdem wurden verschiedene Beerenweine bei uns Zuhause beziehungsweise bei meinen Großeltern produziert.
Als nach den Kriegsjahren die „besseren Zeiten“ kamen, hatten wir im allgemeinen Sprachgebrauch „eine Fresswelle“. Es gab auch noch neben der normalen Kerwa im Herbst nochmals eine „Fress-Kerwa“. Da zog man in die vielen Dorfwirtshäuser hinaus aufs Land (wenn man nicht schon dort wohnte) und frönte den kulinarischen Genüssen, wie Schweinsbraten, Schweinshaxen, Krenfleisch oder „Schibf“ (das ist Kopf- und Wellfleisch bei der Schlachtschüssel), manchmal gab‘s auch einen leckeren Kalbsbraten; in späteren Jahren stand dann auch Reh auf der Speisekarte.
Markant war für mich auch das Jahr 1952, meine Tante Johanna heiratete. Es zog ein Jungbauer namens Hans ins großelterliche Anwesen. Die Hochzeitsfeier dauerte vier Tage, und auf einem Bauernhof ließ sich bei eigener Hausschlachtung schon was anbieten. Ich selbst wollte an jedem Tag 10 Bratwürste essen, aber am vierten Tag sind nur noch neun Würste da gewesen, also kam ich in diesen 4 Tagen zusammen „nur“ auf 39 Bratwürste.
Ein Schlachtfest auf einem Bauernhof war damals ein Hochgenuss. Und dazu gab es dörfliches Brauchtum, das sich „Schbießlareggn“ nannte. Maskierte  Dorfbewohner stellten nach Einbruch der Dunkelheit einen mitgebrachten Topf auf den Fenstersims, klopften ans Fenster und bekamen dann von den Bauersleuten Würste, Sauerkraut, Fleisch Klöße und Suppen in diesen Topf.
Der Untersteinacher Pfarrer kam gelegentlich zu Besuch, oft fand er den Weg zu unserem Bauernhof, wenn Schlachtfest war. Und es war ihm immer sehr peinlich, dass gerade er heute so ungelegen käme. Aber es blieb meinen Großeltern nichts anderes übrig, als ihn mit an den Tisch zu bitten mit den Worten „etzt wu sie scho amol do sen, derfen sie gern gleich mit uns essen“. Es war auch üblich, dass ich am nächsten Tag für den Lehrer ein paar Würste in die Schule mitbrachte.

Die Fotos der Kulturpatinnen und ihrer Gäste sind von Andreas Freihöfer.

Frau Christiane Loetzsch hat ebenfalls Rezepte aus alter Zeit gesammelt und uns zur Veröffentlichung angeboten:

Milchsoße mit Klößen oder Kartoffelbrei
2 El. Butter oder 100 g gewürfelten Speck auslassen, einen halben Liter Milch dazugeben, alles aufkochen lassen. 2 verquirlte Eier in die nicht mehr kochende Soße geben. Diese mit Sahne und angerührtem Stärkemehl andicken und mit Salz, Pfeffer und einer Prise Zucker abschmecken.
Dazu kann man einen grünen Salat reichen.

Grüne Klöße mit Zwiebelbrüh
Für 4 Personen lässt man 125g Speck aus und dünstet darin 2 gehackte Zwiebeln glasig. Dann gießt man 1 Liter Fleischbrühe auf, verquirlt 2 Eier und gibt diese in die nicht mehr kochende Brühe, die abschließend mit Salz und Pfeffer abgeschmeckt wird. Dazu gibt es Gurkensalat und Grüne Klöße.

Angemachter Quark
150 g Quark pro Person
gehackte Kräuter nach Wunsch
Zwiebeln
Salz und Pfeffer
Pellkartoffeln
Butter
Man nimmt pro Person 150g Quark und macht ihn mit kleingehackten Kräutern, Zwiebeln sowie Salz und Pfeffer an. In der Zwischenzeit kocht man Kartoffeln gar, pellt sie und reicht dazu den angemachten Quark. Zusätzlich gibt man Butterflöckchen über die heißen Kartoffeln.

Gewärch
Klöße vom Vortag
Butter
Fleisch – oder Wurst-Reste
Eier
Klöße in Scheiben schneiden. In einer Pfanne die Kloß-Scheiben in der heißen Butter anbraten, wenden, Fleischreste dazugeben. Eier verquirlen und darüber geben. Stocken lassen. Dazu kann man grünen Salat oder Gurkensalat reichen.

Breite Nudeln mit Himbeeren
Bandnudeln
Butter
Semmelbrösel
Zucker
Himbeeren
Man kocht entsprechend viel Nudeln, um sie in einer Auflaufform zu schichten. Danach gibt man Butter in eine Pfanne, lässt sie schmelzen und gibt Semmelbrösel dazu. Diese werden dann unter ständigem Rühren geröstet und mit Zucker bestreut. Nun schichtet man abwechselnd Nudeln und Semmelbrösel in eine Auflaufform. Dazu gibt es Himbeerkompott.