Gemüsevielfalt aus dem Bamberger Land
Der Gemüseanbau innerhalb der Stadt Bamberg und den zum Bamberger Umland zählenden Gemeinden hat einzigartigen Charakter. Kaum eine andere Region wird aus innerstädtischen oder stadtnahen Anbauflächen so unmittelbar frisch mit nahezu allen verfügbaren Gemüsesorten versorgt, wie Bamberg. Und was nicht von der städtischen Bevölkerung an den Gärtnerständen auf den städtischen Märkten in der Hauptwachtstrasse, auf dem Grünen Markt oder dem Maxplatz oder unmittelbar an den Hofstellen der Gärtner selbst gekauft wird, geht von hier über spezialisierte Speditionen als Bamberger Gemüse auf Märkte in ganz Deutschland.
Der Berufsstand des (Gemüse-)Gärtners gehört zu den ältesten und angesehendsten Erwerbszweigen Bambergs. Bis heute drückt sich diese herausgehobene Stellung der Gärtner u.a. in der ihnen traditionell zugewiesenen Position innerhalb der großen Fronleichnamsprozession durch die Stadt aus, aber auch im Privileg, diese als kleine Prozession jeweils am Sonntag nach Fronleichnam durch das ehrwürdige Gärtnerviertel wiederholen zu dürfen.
In vergangener Zeit waren die im Gärtnerviertel östlich des Steinweges (der heutigen Königsstrasse), der Hallstadter Strasse und der Nürnberger Strasse ansässigen Betriebe auf Sonderkulturen wie Zwiebeln, Knoblauch und Arzneipflanzen, wie das Süßholz spezialisiert. Inzwischen umfasst die Palette der hier erzeugten Gemüsevielfalt fast alle bekannten Sorten, die hier stets voll ausgereift, frisch geerntet oder – sofern möglich – aus sorgfältiger Lagerhaltung angeboten werden. Die meisten Bamberger Gärtnerbetriebe, die von Gärtnermeistern oder Meisterinnen geführt werden, sind aber stolz darauf neben handelsüblichen Gemüsesorten auch alte überlieferte Lokalsorten aus spezialisierten Samenzuchten zu kultivieren, die es sonst nirgendwo gibt. Hierzu gehört z.B. der Bamberger Rettich, eine etwas kleinere Sorte von angenehmer Schärfe und butterweicher Konsistenz, die bereits einige Wochen vor den heute üblichen Hybridsorten erntereif ist. Oder der Bamberger Spitzwirsing, eine Rarität, die mittelgroße bis große, locker gewachsene Köpfe von charakteristisch spitzer bis herzförmiger Gestalt ausbildet und schon im Spätsommer erntereif ist. Die unvergleichliche Zartheit des Blattes und das überraschend mild-würzigem Aroma machen den Bamberger Spitzwirsing zu einem unverwechselbaren Gaumenerlebnis. Bamberger Spitzwirsing gibt es daher nicht im konventionellen Handel, sondern nur bei einigen Gärtnern in Bamberg und im Bamberger Land zu kaufen. Nicht zu vergessen die berühmten Bamberger Hörnla, eine alten Kartoffelsorte, die von Feinschmeckern in ganz Deutschland geschätzt wird und von Slow food als Passagier in die Arche des guten Geschmacks aufgenommen wurde. Und schließlich noch die Bamberger birnenförmige Zwiebel, eine uralte Sorte, die durch den hohen Anteil an Senfölen einen mild-würzigen, leicht süßlichen Geschmack entfaltet. Ihrem Anbau und den dazu notwendigen Pflegemaßnahmen verdanken die Bamberger Gärtner den Spitznahmen „Zwiebeltreter“.
Aber mit dieser Aufzählung typischer Spezialitäten ist die einmalige Palette der Bamberger Gemüsevielfalt noch lange nicht beschrieben. Wie bei so vielen Produkten der Genussregion steht dabei immer der Aspekt der jahreszeitlichen Erzeugung im Mittelpunkt. Wer bei einem Bamberger Gärtnerbetrieb einkauft, hat die Gewähr, stets frisch und vollreif mit dem versorgt zu werden, was gerade wächst. Denn mit nur wenigen Ausnahmen wird das Bamberger Gemüse in Freilandkulturen gezogen. Die geschützteren Glashäuser dienen der Anzucht von Jungpflanzen oder Kultur wetterempfindlicher Sorten wie Paprika, Tomaten, Zucchini und Auberginen.
So beginnt das Bamberger Gemüsejahr mit frühen, frostresistenten Kulturen wie den schon gepriesenen Bamberger Rettichen, Radieschen, frischen Kräutern und Salaten, erreicht mit der in warmen Jahren schon in der zweiten Aprilhälfte einsetzenden Spargelernte seinen ersten Höhepunkt, bevor dann Sommer mit vollreifen Tomaten, Gurken, Paprika, Erbsen, Bohnen, gelben Rüben, Blattsalaten, Kartoffeln und vielem mehr seine bunte Palette ausbreitet. Aber auch Herbst und Winter haben Gemüseliebhabern viel zu bieten. Denn nun sind solche Sorten erntereif, die auch problemlos eine längere Lagerung in kühlen Kellern vertragen. Hierzu gehören alle Kohlsorten, vom Wirsing, über Rot- und Weißkraut, verschiedene Grünkohlsorten oder aber lagerfähige Gelbe Rüben, Kohlrüben oder Erdkohlrabi, Sellerie, Rote Rüben, Schwarzwurzeln und vieles mehr. Und aus Spezialkulturen wiederum werden Feldsalat oder Rewinzala und Zichorien angeboten, die damit auch im Winter für frische Abwechslung auf dem Küchenzettel sorgen.
Der Bamberger Gärtnerfleiß prägte und prägt auch heute noch Kultur, Stadtbild, und nicht zuletzt auch kulinarische Vorzüge Bambergs. Als Gärtnerstadt oder Gärtnerviertel bezeichnete man die traditionellen Siedlungsquartiere der Gärtner östlich der Regnitz mit einem Kern um das 1098 gegründete Stift St. Gangolf (Obere Gärtnerei), die Kapelle St. Sebastian (Untere Gärtnerei) sowie innerhalb der Wunderburg. Weitere traditionelle Gartenbaubetriebe sind im Bamberger Umland, namentlich in Hallstadt und Dörfleins ansässig.
Schon Mitte des 14. Jahrhunderts sind in der Oberen Gärtnerei um St. Gangolf, der sog. Theuerstadt Gärtnerfelder belegt, die der Anzucht und dem Anbau von Gemüse dienten. 1368 wird ein erster Gärtner, Fritz Pleinser, genannt, 1416 ein Keimgarten und 1426 schließlich ein Pflanzgarten belegt. Beides weist auf eine bereits entwickelte Gartenbaukultur mit spezialisierter Arbeitsteilung hin. Um 1400 sind in dem Gebiet etwa 30, um 1450 bereits etwa 70 Gärtnerfamilien ansässig. Aus dieser Zeit stammt bereits eine erste enthusiastische Beschreibung des Domherren Albrecht von Eyb, der den Hochstand der Bamberger Obst- und Gartenbaukultur preist. Und nur wenige Jahrzehnte später fasst der Chronist Johannes Boemus dieses Lob in die Worte: „Keine Landschaft Deutschlands erzeugt mehr größere Zwiebeln, keine größeren Rüben und Kohlköpfe. Die Süßwurzel wird im Bamberger Land in solchen Mengen ausgegraben, dass man hochgetürmte Wagen damit beladen sieht.“
Schon der berühmte Zweitlersche Stadtplan Bambergs von 1602 belegt die charakteristische Entwicklung des Bamberger Gärtnerviertels entlang einzelner Straßenzüge wie Mittel- und Heiliggrabstraße, Tocklergasse, Josefstrasse, Theuerstadt, Ehrlichstrasse usw. Dabei zeichnet sich ab, dass sich die entlang dieser Straßenzüge gelegenen Hofstellen sich allmählich zu Zeilen verdichten, die allmählich die im Innenbereich liegenden Felder umschließen. Diese Entwicklung setzt sich im 17. und 18. Jahrhundert fort, als sich allmählich ein traufenständiger, eingeschossiger Haustyp mit breiter Tordurchfahrt zu den im inneren Bereich liegenden Gärten entwickelte, der die gesamte Grundstücksbreite einnahm. Durch die Schließung der Hausreihen entlang der Straßenzüge entwickelte sich in den Innenbereichen ein optimales Kleinklima, durch das sich gerade diese Flächen in der Anzucht von Frühkulturen zu entscheidenden Standortvorteilen entwickelten.
Gute Einblicke in das alltägliche Leben, aber auch die reichhaltige Anbaupalette der Bamberger Gärtner vermitteln die überlieferten Zunftordnungen. Nach einem Dekret von 1670 durften die Gärtner für den Verkauf gelbe und weiße Rüben, Kraut und Wirsing sowie Kohl und Samen sowie Süßholz anbauen. Zum Eigenbedarf durften sie darüber hinaus Blumenkohl, Artischocken, Kohlrabi, Kapuzinerkresse, Salat, Sellerie, Kren, Zwiebeln und Pastinaken sowie Gewürzkräuter wie Salbei, Nelken, Anis, Weinraute, Wegwarte, Bockshornklee, Koriander, schwarzen Kümmel sowie Canarisamen kultivieren.
Die Zahl der Gärtnerfamilien stiegt stetig an. Nach dem Wegfall der Zunftbestimmungen und der Durchsetzung der Gewerbefreiheit gab es um die Mitte des 19. Jahrhunderts 540 Gärtnerfamilien und an die 400 Gesellen. Um 1900 zählte man schließlich 700 Gärtnermeister.
Freilich sind diese Zeiten in der Bamberger Gärtnerei längst Vergangenheit. Nach ersten Eingriffen in die vorhandenen Feldflächen durch den Ausbau der Bahnlinie und verschiedener Straßenzüge sowie durch eine unsensible Entwicklungsplanung in den 1970ger Jahren macht den alteingesessenen Gartenbaubetrieben heute vor allem der massenhafte Import von Gemüse aus der ganzen Welt zu schaffen. War es noch vor einigen Jahrzehnten ein Vorzug, z.B. Rettich und Radieschen aus Bamberger Frühkulturen schon einige Wochen vor der Handelsware ernten zu können, bieten heute nahezu alle Supermärkte ganzjährig Importgemüse aus aller Welt. So verliert auch die ursprünglich sinnvolle Unterteilung in Frühjahrs- und Sommergemüse sowie in lagerfähige Wintergemüse ihren Sinn.
Gerade diese Stärke, der heute noch existierenden Gartenbaubetriebe, auch im Winter köstliche, vollwertige und vor allem lagerfähige Gemüse anbieten zu können, verliert durch die Verfügbarkeit von Importwaren immer mehr an Bedeutung. Damit geht häufig aber auch das Wissen um die traditionelle Verwendung und Zubereitung z.B. von Erdkohlrabi, Pastinaken und Petersilienwurzel und vieler anderer überlieferter Gemüsesorten verloren.
Die Bamberger Gartenbaubetriebe haben sich daher inzwischen zu einer Interessensgemeinschaft unter dem Markennamen „Gutes aus der Gärtnerstadt“ zusammengeschlossen, um sich für den Erhalt der Gärtnerstadt in ihren überkommenen Strukturen, aber vor allem für die unvergleichliche Produktpalette des Bamberger Gemüses einzusetzen. Erste Erfolge entwickeln sich nicht zuletzt aus der Zusammenarbeit mit Slow-Food, das sich um den Erhalt einiger alter Gemüsesorten aus Bamberger Ursprung bemüht. So beginnt sich ein Umdenken abzuzeichnen, das den hervorragenden Gemüseerzeugnissen der Bamberger Gärtner allmählich wieder mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegenbringt. Denn was könnte es besseres geben als schonend kultiviertes Gemüse alter Kultursorten, das auf kürzestem Weg vollreif oder schonend gelagert an den Verbraucher kommt. Die Bamberger lernen es wieder zu schätzen und kaufen ihren Wochenbedarf am Stand auf dem Wochenmarkt oder direkt an der Verkaufstellen der Erzeuger.
Jahreskalender:
Sie können die Spezialität ganzjährig genießen.
Genusstipp:
Die Bamberger Gärtnerstände auf dem Grünen Markt, in der Hauptwachtstrasse oder auf dem Maxplatz haben bestimmte Verkaufszeiten. Man findet sie Mittwochs, Freitags und Samstags jeweils von 8.00 – 13.00 Uhr mit einem frischen Warenangebot. Außerdem haben viele Gärtner ein eigenes Verkaufsgeschäft direkt am Hof mit individuellen Öffnungszeiten (meistens Mittwochs und Samstag).
Autoren:
Genussregion Oberfranken, Foto Martin Bursch; Textbearbeitung Uta Hengelhaupt
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