Bratwurst (fränkisch)

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Jeder kennt sie und (fast) alle lieben sie. Sie schmeckt nach unbeschwerten Stunden, ob als schnelle Zwischenmahlzeit einfach auf die Hand, ob zur gemütlichen Brotzeit oder mit Kraut und Bratkartoffeln zum Mittagessen, ob auf der Kerwa, dem Bierkeller oder verlockend duftend vom Grill an einem warmen Sommerabend: Die Bratwurst verführt und weckt alle Sinne. Mit Recht wird die Bratwurst seit jeher als der oberfränkische Wurstklassiker schlechthin geführt. In keiner Region ist die Geschichte der herzhaften Wurst präsenter, nirgendwo ist ihre Vielfalt größer als hier. Bratwürste sind das Aushängeschild nahezu aller oberfränkischen Metzgereien und die Leibspeise der Franken schlechthin.

So wundert es den Kenner nicht, wenn Vielfalt und Herstellungsverfahren der fränkischen Bratwurst durchaus geeignet sind, verschiedene Kapitel der regionalen Landesgeschichte kulinarisch zu interpretieren. Denn hierzulande variieren nicht nur Rezepturen und Würzmischungen der Bratwurst wie in keiner anderen Region. Darüber hinaus kann z.B. die Art und Weise ihrer Herstellung über die historisch-politische und damit oft auch konfessionelle Zugehörigkeit der jeweiligen Region Auskunft geben. Bratwürste sind oft mit einem ganz besonderen Brauchtum verbunden. Und die Entwicklung von Konservierungs- und Kühlverfahren vermittelt anschaulich Alltagswissen aus der Zeit vor der Erfindung der heute so nützlichen Gefriergeräte.

Wichtiger aber noch als diese Form kulinarischer Pädagogik ist der unvergleichliche Geschmacksreichtum der fränkischen Bratwurst, zu der fast jede Region eigene Besonderheiten beiträgt. Dies bedeutet, dass es „die (eine) fränkische Bratwurst“ gar nicht gibt. Man isst die leckere Wurst in Franken paarweise oder besser noch drei pro Person. In Kulmbach hat man für sie ein besonderes Brötchen, den Bratwurststollen, entwickelt. In Coburg werden sie auf offenem Feuer mit Kiefernzapfen gegrillt. In Hof liebt man sie magerer als im übrigen Franken. Und im Bamberger Land kocht man sie gerne „blau“ oder serviert sie als Bratwurstsülze. Tradition hat in ganz Oberfranken der Verzehr von Bratwürsten zum Heiligen Abend, oder genauer gesagt als „Mettenwörscht“ nach der Mitternachtsmesse in den frühen Morgenstunden des 25. Dezember. Kurzum, die Vielfalt der Bratwurstrezepturen und ihre Zubereitungsarten scheint in Oberfranken nahezu unbegrenzt zu sein.

Die meisten oberfränkischen Bratwürste sind relativ dick und von mittlerer Länge (15 – 20 mm Durchmesser, ca. 20 – 25 cm Länge). In Coburg beträgt das Bratwurstmaß traditionell sogar stolze 31 cm. Wie die Hofer sind sie allerdings deutlich dünner als z.B. die Bamberger mittelgrobe Bratwurst. Gefüllt werden die schmackhaften Würste mit Schweinebauch und magerem Schweinefleisch. In manchen Regionen wird Kalb- oder Rindfleisch dazugegeben. Neben verschiedenen Fragen der Würzbeigabe – ob mit Majoran, nur mit Pfeffer und Kümmel oder einem Hauch von Knoblauch und Zitrone – spielt die Konsistenz der Wurstfülle eine besondere kulturgeschichtliche Rolle. So wurde die grobe Bratwurst vor allem in den evangelischen Regionen Oberfrankens angeboten; die mittelgrobe bis feine dagegen stammte aus den katholischen Gebieten.

Dies zu erklären, ist nicht ganz einfach. Grundsätzlich ist das Herstellungsverfahren der groben Bratwurst das ältere. Dazu werden alle Zutaten durch den Wolf gedreht, mit Salz, Pfeffer und Kümmel gewürzt und in Därme abgefüllt. Zur besseren Bindung der leicht krümeligen Bratwurstmasse wird ihr – inzwischen mit Ausnahmegenehmigung der EU-Kommission – in Coburg Frischei zugefügt. Die Coburger behaupten, nach dieser Rezeptur schon im 15. Jahrhundert Würstchen hergestellt zu haben. 1530 soll sie Martin Luther gegessen haben, als er sich während des Augsburger Reichstags in Coburg aufhielt.

Mit dem Aufkommen des Kutters im 19. Jahrhundert gingen viele Metzger dazu über, die Wurstfülle zu kuttern, also fein zu zerkleinern. Dies ergibt eine viel festere Konsistenz der fertigen Wurst, die weniger „krümelt“ als die grobe Variante. Vor der Erfindung der Gefriertechnik war es jedoch nicht ohne weiteres möglich, fein zerkleinertes Brät herzustellen. Die schnell laufenden Messer des Kutters erzeugen nämlich Wärme, die das im Fleisch enthaltene Eiweiß gerinnen ließen. Deshalb behalf man sich, indem man der Wurstmasse Eis zusetzte, das man aus den Eiskellern der Brauereien bezog. Alles in allem war also ein gewisser Aufwand nötig, um die Bratwurstfülle gegenüber der althergebrachten Rezeptur zu verfeinern. Vermutlich ging daher der Trend zur feinen Bratwurst von den wohlhabenderen katholischen Städten in Oberfranken aus, denn vor allem hier hielten die Metzger einerseits mit der technischen Entwicklung Schritt und reagierten andererseits auf die kulinarisch verfeinerten Ansprüche ihrer Kunden.

In den protestantischen Regionen mag das Festhalten an der traditionell einfacheren Wurstrezeptur auch mit einem gewissen Understatement in Sachen Genuss verbunden gewesen sein. Dies entspricht nicht unbedingt der viel beschriebenen Leibfeindlichkeit, steht aber doch für ein eher diskreteres Verständnis von Luxus und Verfeinerung in kulinarischen Dingen. So stieß die in der Herstellung aufwändigere Variante der feinen Bratwurst hier möglicherweise auf eine gewisse Reserviertheit und konnte sich nicht durchsetzen. Als Faustregel kann man also tatsächlich sagen: Je höher der Feinbrät-Anteil der Wurst, desto katholischer der Ort, an dem sie hergestellt wird. Ob nun die evangelischen Metzger bei den Zutaten ihrer Bratwürste tatsächlich puristischer dachten, den Kutter nicht verwenden wollten oder aber zumindest in ländlichen Gemeinden einfach nicht die entsprechende Kundschaft hatten, ist letztlich nicht überliefert. Die städtischen, katholischen Metzger jedenfalls hielten es mit den Brauern, verwendeten Eis und stellten feine Bratwürste her.

Unabhängig vom Bekenntnis ihrer Erzeuger wird die feine bis mittelfeine Bratwurstmasse meistens in Schafsaitlinge gefüllt. Die gröberen Bratwürste füllt man in den sog. Bändeldarm des Schweins (Bändelbratwürste). Der Bändel ist eine feine Fettauflage, die dafür sorgt, dass die Bratwurst beim Braten nicht zu trocken wird. Verwendet wird er nur in Franken!

Im jahreszeitlichen Brauchtum ist die Bratwurst eher den Festen der kälteren Jahreszeit, insbesondere der Weihnachtszeit, aber auch dem Fasching zugeordnet. So soll es schon in vorchristlicher Zeit Brauch gewesen sein, das Fleisch der Tiere, die um die Wintersonnenwende geopfert wurden, mit verschiedenen Gewürzen in Därme zu füllen und in kultischen Mahlzeiten zu verzehren. Als letzter Schlachttag der Wintersaison gilt der Samstag vor der Fastnacht.

Offenlegungsdatum:

Coburger Bratwürste sollen in ihrer Urform auf das 15./16. Jahrhundert zurückgehen. In ihren Ursprüngen ist die Bratwurst ein typisches Gericht der kälteren Jahreszeit. Im Brauchtum hat sie einen Bezug zu den Feiertagen um die Wintersonnenwende.

Aufbewahrung / Haltbarkeit:

Bratwürste werden in ganz Oberfranken „frisch“, also nicht „gebrüht“ angeboten. Sie sollten deshalb schnell verzehrt werden. Wenn man sie etwas länger aufbewahren will, kann man sie überbrühen.

Einige Metzger bieten Bratwürste inzwischen fertig gegrillt und in Folie eingeschweißt an. Um sie zuzubereiten, legt man sie in der Folie in heißes Wasser und lässt sie gut durchziehen. Erst dann wird die Folie aufgeschnitten. Die Würste schmecken wie frisch gegrillt!

Jahreskalender:

Sie können die Spezialität an Silvester, zu Weihnachten, in der Grillsaison und ganzjährig genießen.

Genusstipp:

Es lohnt sich auf jeden Fall, die Vielfalt der fränkischen Bratwurst zu probieren. In einigen Wirtshäusern werden daher auch „Bratwurstvariationen“ zusammengestellt. Auf den oberfränkischen Bratwurstteller gehören übrigens drei Würstchen. Damit bleibt mehr Zeit zum Genießen!

Literatur:

Dorothea Cerpnjak, Kleine Kulturgeschichte der Bratwurst – eine Lieblingsspeise erobert die Welt, Leipzig 2005, (S. 28 – 35.)

Autoren:

Genussregion Oberfranken, Foto Martin Bursch (1 – 10), Reinhard Feldrapp (11); Textbearbeitung Uta Hengelhaupt

Rezept

Zutaten:

Grundrezept:
Schweineschulter, fettarmer Schweinebauch, nach einigen Rezepten auch etwas mageres, grob entsehntes Rind- oder Kalbfleisch, Salz, gemahlener weißer und schwarzer Pfeffer, frisch geriebene Muskatnuss, Zitrone. Macis, Knoblauch, Majoran, Kümmel und andere Gewürze nach Geschmack und Rezept. Je nach Rezept Eis oder Frischei.

Zubereitung:

Das Fleisch wird grob gewolft oder mit Eis fein gekuttert.

Dann mischt man die Gewürze dazu und füllt in Schafsaitlinge oder in Bändeldärme (grobe Bratwürste) ab.

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