Liköre aus oberfränkischen Beeren, Kräutern und Früchten

  • Liköre aus oberfränkischen Beeren, Kräutern und Früchten
  • Liköre aus oberfränkischen Beeren, Kräutern und Früchten

Die obstreichen Regionen Oberfrankens sind zugleich Heimat vieler Brennereien und Destillerien. Die Kunst, aus einer vergorenen Fruchtmaische Alkohol zu destillieren, gehört zu den schon im Mittelalter bekannten Kulturtechniken. Ausgehend von den Laboratorien der alten Klöster wurde vor allem Wein zu Branntwein veredelt und u.a. zur Herstellung wohltuender Kräuterauszüge, zum Konservieren und zur Herstellung von Lacken und Farben verwendet. Gelehrten Alchimisten gelang es, die primitiven Apparaturen soweit zu verbessern, dass eine exaktere Trennung der Stoffe und Filterung der Fuselöle möglich wurde. In den mehrfach gebrannten Destillaten wurde bereits Alkohol in höheren Konzentrationen, das so genannte „Lebenswasser“ oder „Aqua vitae“ erzeugt. Wie der Name dieser hochprozentigen Destillate andeutet, schrieb man ihnen in Zeiten von Pest und Cholera, als man das Wasser aus vielen Brunnen nicht mehr trinken konnte, gesundheitsfördernde Kräfte zu. Die Experimente und das botanische Wissen vieler Ärzte und Apotheker, die sich mit der heilkräftigen Wirkung von Kräutern, Beeren und Wurzelextrakten auseinandersetzten, komplettierten das Wissen um die Wirkung alkoholischer Auszüge. So gehörten verschiedene Wässer, Kräuterbitter und andere Destillate bald in jede Hausapotheke.

Seit dem 15. Jahrhundert wurden alkoholische Spezialitäten in vielen europäischen Ländern gewerblich hergestellt. Neben billigeren Branntweinen treten bereits in dieser Zeit verschiedene regionalcharakteristische Destillate wie Armagnac und Calvados hervor. Ab dem 16. Jahrhundert werden auch in Deutschland immer mehr gewerbliche Brennereien und Destillerien sowie erste Destillate mit überregional bekannten Namen (z.B. Nordhäuser Korn) belegbar. Kein Wunder, dass auch die Obrigkeit die Gelegenheit wahrnahm, von der Alkoholproduktion und noch mehr vom grassierenden Alkoholgenuss durch eine Branntweinabgabe finanziell zu profitieren. 1873 wurde diese erstmals vereinheitlicht und mit der Gründung des Branntweinmonopols 1886/7 zur reichsweiten Geltung gebracht. Dabei standen allerdings eher die industriellen und halbindustriellen Brennereien der großen Güter im Norden und Osten des Deutschen Reichs im Mittelpunkt, in denen große Mengen an Getreide und Kartoffeln zu Alkohol destilliert wurden.

In Süddeutschland und vor allem in Oberfranken dominiert dagegen bis heute die Herstellung von Obstwässer oder Brände aus zuckerhaltigen Obstsorten wie Apfel, Birnen, Zwetschgen, Pflaumen, Mirabellen, Kirschen und Quitten. Für den Brand werden die Früchte oder deren Saft zuvor vergoren und anschließend als Maische destilliert. Ein Brand oder Obstwasser muss mindestens 37,5%vol Alkohol enthalten.

Weniger zuckerhaltiges Beerenobst und verschiedene Wildfrüchte, wie Himbeeren, Johannisbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren, Holunder, Vogelbeeren, Schlehen sowie Nüsse, Kräuter und Gewürze, wie z.B. Kümmel, eignen sich wegen des geringeren Fruchtzuckergehalts nicht zum Vergären. Deshalb werden sie meistens nicht gebrannt, sondern zur Herstellung von Geisten verwendet. Dazu wird der Ausgangsstoff mit Alkohol mazeriert (eingeweicht). Verwendet werden darf nur Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs mit 96%vol Alkoholgehalt. Die Dauer der Mazeration hängt von der Frucht ab und liegt zwischen wenigen Stunden bis mehreren Wochen. Dabei darf kein Alkohol durch Gärung entstehen. Anschließend wird das Gemisch abdestilliert. Auch ein Geist muss wenigstens 37,5,% Alkohol enthalten.

Eine weitere Möglichkeit, den Geschmack von Beeren und Früchten zu konservieren, ist die Herstellung von Likören. Der Begriff Likör kommt aus dem französischen Wort „liqueur“, bzw. dem lateinischen Wort „liquor“ für „Flüssigkeit“. Liköre sind Mischgetränke aus Alkohol, Zucker und geschmacksgebenden Essenzen. Der Mindestalkoholanteil liegt bei ca. 15 %. Zur Herstellung von Likören wird Alkohol einer aromatischen Grundmischung aus Wurzeln, Kräutern, Rinde, Früchten, Fruchtschalen, Gewürzen und anderen Essenzen zugesetzt und – im Gegensatz zur Mazerierung von Geisten – mit Zucker, Glykosesirup oder Honig sowie ggf. mit Wasser vermischt. Die Herstellung eines solchen Ansatzes kann gleichzeitig oder in mehreren Schritten erfolgen. Nach einer bestimmten Zeit wird der Ansatz gefiltert und kann in dieser Form als „Aufgesetzter“ abgefüllt werden. Eine Sterilisierung ist nicht notwendig, da der Alkoholgehalt eine mikrobiologische Veränderung der Mischung (z. B. Schimmeln oder Gären) verhindert. Bei Edellikören verläuft diese Prozedur insgesamt aufwändiger. Die gefilterten Ansätze können z.B. nochmals destilliert werden, um die Aromen zu konzentrieren.

Zu den klassischen Frucht- und Beerenlikören zählen z.B. schwarze Johannisbeere, Heidelbeere, Brombeere, Holunderbeere, Vogelbeere, Schlehe, Hagebutte und Kirsche. Kräuter werden in der Regel zu Bitter- oder Halbbitterlikören verarbeitet. Viele der heute noch verwendeten Rezepte haben ihren Ursprung im Wissen alter Klosterlaboratorien und Apotheken. Altes Heilwissen ist darin ebenso verarbeitet, wie das richtige Gespür für die optimale Geschmacksabrundung. Beeindruckend ist auch die Zahl der verwendeten Kräuterdrogen. Ein klassischer fränkischer Kräuterbitter enthält zwischen 30 und 50 Kräuteressenzen, die sorgfältig mazeriert und mit einer fein abgestimmten Menge an Zucker, Honig oder Glykosesirup vermischt werden. Einige wenige Spirituosenhersteller sammeln einen Teil ihrer Kräuter, wie Bärwurz, Arnika, Kümmel, Pfefferminz, Blutwurz und Wiesenfenchel noch selbst auf naturbelassenen Wiesen und stellen daraus Produkte von einzigartigem Geschmacksreichtum her.

Jahreskalender:

Sie können die Spezialität ganzjährig genießen.

Autoren:

Genussregion Oberfranken, Fotos Martin Bursch; Textbearbeitung Uta Hengelhaupt

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