Wienerla
Wienerle, Wiener Würstchen, Frankfurter Würstchen
Franz Schubert und Johann Strauß liebten es, Kaiser Franz I. erklärte es zu seiner Leibspeise, der Dichter Adalbert Stifter ließ es sich sogar per Eilboten nach Linz schicken: das Wiener Würstchen oder einfach Wiener / Wienerle / Wienerla genannt. Sein Schöpfer, der Metzgermeister Johann Georg Lahner (1772 – 1845) war aus Frankfurt a M. in die Donaumetropole zugewandert, weshalb die Frankfurter einmal auf dem Namen „Frankfurter Würstchen“ bestehen und zum anderen behaupten, diese seien dort schon seit dem Mittelalter heimisch. Lahner war jedoch geborener Oberfranke und stammte aus dem kleinen Ort Gasseldorf in der Fränkischen Schweiz, weshalb wir das Wiener Würstchen zu den fränkischen Spezialitäten zählen. Immerhin repräsentiert es wesentliche Grundeigenschaften des hiesigen Menschenschlages, wie Erfindergeist, kulinarische Raffinesse und tatkräftiges Unternehmertum. Eine Weltkarriere wie dem Wiener Würstchen war freilich nur wenigen heimatlichen Produkten beschert.
Wiener isst man heute – paarweise – fast auf der ganzen Welt, ob mit Meerrettich, wie in Wien, oder mit Senf und Brot, zum Mittag oder abends, als „Fingerfood“ zwischendurch, zu Partys, Kerwa oder anderen Gelegenheiten – die Beliebtheit der feinen Würstchen kennt keine Grenzen. So werden sie selbstverständlich auch in allen oberfränkischen Metzgereien hergestellt und angeboten. Wie bei guten handwerklichen Produkten typisch, sind die Metzger-Wienerla aber kein Massenprodukt, sondern werden individuell, sorgfältig und ehrlich nach hauseigenen Rezepturen hergestellt. In Hof schätzt man die etwas kräftiger gewürzten Hofer Wärschtlamo-Wiener, die ganztägig warm in den traditionellen, mit Holzkohle erhitzten Messingkesseln angeboten werden.
Die Weltkarriere des Wiener oder Frankfurter Würstchens begann, wie es kaum anders sein kann, in Franken. Im beschaulichen Örtchen Gasseldorf wurde sein Erfinder Johann Georg Lahner 1772 in kleinbäuerlichen Verhältnissen geboren. Um 1795 brach er – wie viele seiner Landsleute – auf, um das Glück in der Fremde zu suchen. In Frankfurt erlernte er das Metzgerhandwerk, kam 1799 als Ruderknecht mit einem Donauschiff nach Wien und machte sich dort 1804 in der Vorstadt Altlerchenfeld mit geliehenem Geld mit eigener Selcherei selbständig. In Erinnerung an ein gröberes Frankfurter Schweinswürstchen kreierte er wenig später „Lahners Würstl“, über die am 15. Mai 1805 die Wiener Stadtzeitungen berichten. Im Gegensatz zu den Alt-Frankfurter Würstchen, die den Vorschriften der Zunft entsprechend nur aus Schweinefleisch hergestellt wurden, verwendete Lahner als Ausgangsmaterial für seine Kreation ein sehr feines Rind- und Schweinefleischbrät mit besonderer Würzmischung, füllte es in dünne Saitlinge und räucherte diese – paarweise abgedreht – mild an.
Der unerwartete Erfolg belohnte Lahners Experimentiergeist. Schon bald waren seine Frankfurter Würstchen Gegenstand des kulinarischen Stadtgesprächs in Wien. Als feine Delikatesse waren sie bei Jung und Alt, Arm und Reich gleichermaßen beliebt und begehrt. Johann Strauß, Franz Schubert, Franz Grillparzer, Johann Nestroy und Adalbert Stifter ließen sie sich als feines Gabelfrühstück servieren und Kaiser Franz I. schickte täglich einen Boten zu Lahners Geschäft, um frische Würstl zu holen. Und schon bald wurden die „Frankfurter“ in der gesamten Kaiserstadt durch die Würstlmänner in Kesseln heiß angeboten. Damals kam der Spruch auf, der Lahner mit dem berühmten Schöpfer des Wiener Walzers, Joseph Lanner, in Verbindung brachte: „Was der Lanner fürs Gemüt, ist der Lahner fürs Geblüt!“
1832 war schließlich die Nachfrage nach den knackigen Brühwürstchen so groß geworden, dass der Betrieb in das Anwesen Am Schottenfeld 154 in der Josephstadt umzog. Dort existierte das Lahnersche Unternehmen bis zum Tod des letzten Erben 1967.
Johann Georg Lahner wurde zu einem geachteten und wohlhabenden Mann. Als er 1845 starb, führten seine vier Söhne das Unternehmen erfolgreich fort. 1855 wurden die „Frankfurter“ erstmals auf der Weltausstellung in Paris vorgestellt, 1884 erhielten sie auf der ersten Kochausstellung in Wien eine Goldmedaille. Damit schnellte die Nachfrage nochmals in die Höhe. So stellten bald auch andere Metzger Frankfurter oder Wiener Würstchen her, die in der Rezeptur bis heute leicht variieren. Besondere Beliebtheit erlangten die „Wiener“ schließlich in Amerika, wo sie erstmals bei der Weltausstellung 1893 in Chicago vorgestellt wurden. Ein Verwandter der Lahner-Brüder zwickte die Würstchen in eine Semmel, bezeichnete sie als „Hot Dog“ und kreierte damit nichts weniger als das amerikanische Nationalgericht. So scheute sich auch Präsident Roosevelt 1939 nicht, dem britischen König Georg VI. bei dessen Staatsbesuch im Weißen Haus die beliebten „Hot Dogs“ aufzutischen.
Wiener oder Frankfurter Würstchen gehören heute in das Angebot nahezu jeder oberfränkischen Metzgerei. Allerdings soll ihre Rezeptur nicht mehr ganz dem Lahner’schen Original von 1805 entsprechen. Dieses hat sich die Kommune Gasseldorf 2003 als „Original Gasseldorfer Lahner-Würstel“ patentrechtlich schützten lassen.
Aufbewahrung / Haltbarkeit:
Da Wiener Würstchen leicht geräuchert werden, sind sie im Kühlschrank ca. 5 – 7 Tage haltbar. Sinnvoll ist es, sie in Salzwasser zu legen; dadurch verlängert sich die Haltbarkeit, die Würstchen behalten ihr knackiges Aussehen und schrumpeln nicht.
Jahreskalender:
Sie können die Spezialität ganzjährig genießen.
Genusstipp:
Wiener Würstchen isst man paarweise warm zu Brot oder Brötchen. Dazu würzt man mit Senf oder Kren.
Literatur:
Wikipedia-Artikel „Wiener Würstchen“.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Würstchen
Autoren:
Genussregion Oberfranken, Foto Martin Bursch; Textbearbeitung Uta Hengelhaupt
Rezept
Zutaten:
Lahners Frankfurter/Wiener bestanden aus von Sehnen befreitem Schweine- und Rindfleisch. Dieses wurde zunächst per Hand zerkleinert und mit Holzstöcken weich geklopft. Anschließend wurde das Fleisch mit großen Wiegemessern von bis zu sechs kräftigen Männern unter Zugabe von Wasser zu Wurstbrät verarbeitet und dann in Schafsaitlinge (Därme) gespritzt; zu Paaren von 140 bis 180 Gramm. Dieses Grundrezept blieb bis heute nahezu unverändert. Lediglich der Fettgehalt wurde inzwischen von bis zu 40 auf rund 20 Prozent reduziert.
Heute typische Rezeptur:
35 % Schweineschulter, 25 % Schinkenfett, 10 % mageres Rindfleisch 10 % Backen, 20 % Eisschnee, Würzung: weißer gemahlener Pfeffer, gemahlener Paprika, Muskatblüte, Koriander, Ingwer, Salz (Pökelsalz); abgefüllt werden die Würstchen in Schafsaitlinge, die für den besonders zarten Biss verantwortlich sind; geräuchert wird über Buchenholzspänen.
Zubereitung:
Für die Herstellung von Frankfurter Würstchen (10 Paar) empfiehlt das „Wurst- und Fleischerhandbuch“ von 1950 folgendes Rezept: 1,5 kg mageres Schweinefleisch, 1 kg zäher Speck, 65 g Salz, 5 g Zucker, 1 g Salpeter, 6 g Pfeffer, 2,5 g Ingwer, 3,5 g Kardamom. „Das magere Schweinefleisch grob gehackt und mit Salpeter, Salz und Zucker vermengt eine Nacht in den Kühlschrank stellen, anderntags fein durchdrehen, mit Wasser und dem gesamten fehlenden Gewürz gut durchkuttern, dann den fein durchgedrehten Speck hinzufügen und alles noch einige Male rundlaufen lassen. Damit die Würstchen schön rot werden, empfiehlt es sich, die gekutterte Masse eine Nacht stehen zu lassen. Dann in Schweinedärme füllen, in Paare von 125 g abdrehen, warm vortrocknen und schön goldgelb räuchern.“